Die Milch kommt – der neue Geh 20 von Lenz

In diesen Tagen hat Lenz den Geh 20, den weißen Milch-Transportwagen (Best.-Nummer 42218, 99,- €), ausgeliefert. Das Modell entspricht dem schon bekannten Lenz-Standard und ist in seiner weißen Ausführung ein Blickfang auf jeder Modellbahn-Anlage. Wie bei allen Güterwagen liegen Bremsschläuche und Original-Hakenkupplung zum Austausch gegen die Lenz-Kurzkupplung bei. Genau wie der bauartähnliche Gr 20 ist der neue Geh 20 mit Radsätzen mit recht hohen Spurkränzen versehen.

Der neue Geh 20 von Lenz

Der neue Geh 20 von Lenz

Geh 20? Das ist eine eisenbahntypische Abkürzung, welche die Eigenschaften des Wagens beschreibt. “G” steht für einen geschlossenen Wagen, “e” sagt aus, dass der Wagen mit einer elektrischen Heizleitung ausgestattet ist, während “h” auf eine Dampfheizleitung hinweist. Die Zahl “20” steht für die Baureihe des Wagens. Die Ausrüstung mit den Heizleitungen war beim Vorbild erforderlich, damit der Wagen in Reisezüge eingestellt werden konnte und die hinter dem Milchwagen hängenden Reisezugwagen weiter mit Heiz-Energie versorgt wurden. Die elektrische Heizleitung ist auch im Modell nachgebildet, während die Dampfheizkupplung aufgrund der Lenz-Kurzkupplung nicht angebaut wurde.

In der Seitenansicht des Modells fallen die beiden schmalen Schiebetüren auf jeder Wagenseite auf. Zwei schmale Schiebetüren deswegen, weil dieser Wagen nicht mit Flurfördermitteln wie Gabelstapler oder Sackkarre beladen wurde, sondern das zu verladende Ladegut, Milchkannen mit 40 l Inhalt, durch einen mitfahrenden Ladeschaffner und ggf. Orts-Personal (oder dem anliefernden Landwirt) manuell verladen wurde. Das Vorhandensein von zwei Türen an jeder Wagenseite erlaubte es auch, die auszuladenden Milchkannen im Innern während der Fahrt vorzusortieren und an einer der beiden Türen zur Entladung bereit zu stellen. Das Vorbild hatte im Innern mehrere Ladegestelle zur Aufbewahrung der Milchkannen – diese sind im Modell nicht nachgebildet.

Die Schlitze in der Stirnwand

Die Schlitze in der Stirnwand

Mit diesen Wagen wurde früher Milch aus dem Umland in die Großstadt befördert. Damit die Milch während der Fahrt kühl gehalten werden konnte, waren die Holzbretter der Stirnseiten mit Schlitzen versehen, durch die der Fahrtwind in das Wageninnere eintrat – eine zugige Angelegenheit! Im Modell sind diese Schlitze von außen sichtbar nachgebildet, und sogar fein durchbrochen (ein Blatt Papier passt gerade so dazwischen).

Details der geöffneten Schiebetüren

Details der geöffneten Schiebetüren

Die Türen einer Wagenseite öffnen sich zur Wagenmitte hin, weswegen die Griffstangen an den Türen in unterschiedlicher Höhe angebracht werden mussten.

Das Modell aus dem Hause Lenz basiert auf dem Modell des Gr 20. Obwohl das Vorbild des Geh 20 500 mm länger war, hat Lenz diesen Wagen auf dem (kurzen) Fahrwerk des Gr 20 aufgebaut. Lenz schreibt auf seiner Homepage dazu:

Die Güterwagen der Gh 20, Geh 20 und G 19 wurden nach den Regeln der Austauschbauart und nach den Prinzipien des Gr 20 “Kassel” gebaut. Der einzige Unterschied zum “Kassel” ist die Länge. Gh 20, Geh 20 und G 19 waren 500 mm länger als der Kassel. Um die sehr interessanten Wagen als Modelle zu einem fairen Preis anbieten zu können, haben wir ganz bewusst auch für den Gh 20, Geh 20 und G 19 das Fahrgestell des “Kassel” verwendet. Wir sind sicher, dass wir dennoch die charakteristischen Merkmale der Wagen (wie zum Beispiel die zwei Ladetüren auf beiden Seiten), trotz der Längendifferenz von 11,1 mm, im Modell überzeugend getroffen haben.

Zu diesem Thema gab es im mittlerweile geschlossenen Schnellenkamp-Forum eine hitzige Diskussion, in deren Verlauf sich die Geister schieden. Neu ist auf jeden Fall, dass ein Hersteller hier offen mitteilt, welchen Kompromiss er bei einem Modell eingegangen ist. Durch den offenen Umgang mit dem Kompromiss kann jedenfalls kein Käufer hinterher sagen, dass er das nicht gewusst hat.

Aufmerksame Modellbahner finden an der Seitenwand dieses Schild:

Die Tafel mit der auf München bezogenen Anschrift

Die Tafel mit der auf München bezogenen Anschrift

Im Münchner Umland wurde die frische Milch in Milchkannen mit diesen Wagen, die in Reisezügen mit Ziel München eingestellt waren, nach München gebracht. Das Schild weist auf diesen Einsatzzweck hin. In der Fachliteratur sind aber auch Milchtransporte in anderen Regionen in die entsprechenden Ballungszentren überliefert. Wenn also nicht das Voralpenland als Modellbahnthema zur Verfügung steht, sollte man dieses Schild Weiß überstreichen und vielleicht mit einer passenderen Anschrift versehen.

Ladeszene

Ladeszene

In Verbindung mit den Milchkannen von Busch lassen sich interessante Ladeszenen darstellen.

Mein Fazit: Das Modell des Geh 20 ist im Lenz-Standard hergestellt und besticht durch seine weiße Farbe. Die Beförderung von Milch in Reisezügen sorgt mit diesem Wagen für einen interessanten Anblick. Wen die Verkürzung um 11 mm stört, sollte sich überlegen, ob er die 99,- € für dieses schöne Modell ausgibt. Wer sich zum Kauf entschließt, hat ein sehr schönes Modell in seinem Bestand.

 

Weitere Informationen zu diesem Wagen mit anderen Bildern habe ich auf meiner Homepage eingestellt!

15 Reaktionen zu “Die Milch kommt – der neue Geh 20 von Lenz”

  1. Volkmar

    Wieder ein schönes Modell.
    Kompromisse muss man in der Modell Branche sowie so eingehen deswegen würden mir die 11mm nicht stören.
    Gruß,Volkmar

  2. FrankG

    Hallo Stefan,
    danke für den ausführlichen Artikel. Ich begrüsse auch, dass Du hier noch einmal die erforderlichen Kompromisse der Hersteller deutlich machst. Der Bürger ist mündig und kann somit mit der Brieftasche entscheiden.
    Eine Frage an den Fachmann: Existieren eigentlich Fotos oder Beschreibungen der Ladegestelle für die Milchkannen?
    Viele Gruesse Frank

  3. Hallo Frank,

    ja, ich habe ein Foto der Ladegestelle, es ist in der Ausgabe 11/2010 des Eisenbahn-Journals mit dem Schwerpunkttehma “Milch” abgedruckt gewesen.

    Gruß
    Stefan

  4. volker

    um es vorweg zu sagen: mich stören die 11mm weniger überhaupt nicht. nur eins verstehe ich nicht: warum hat Lenz den wagen nicht auf dem g10 Fahrgestell mit bremserhaus aufgebaut ? das ist genau 11 mm länger. klar gibt es Probleme mit den im Fahrwerk angegossenen Kastenstützen. aber wäre das nicht der kleinere Kompromiss gewesen?

    tschüß volker

  5. Hallo Stefan,
    danke für den ausführlichen Beitrag. Gibt es Erkenntnisse darüber, an welcher Stelle des Wagenkastens die 11mm gespart wurden?
    Gruß
    Wolfgang

  6. Jürgen

    Hallo Wolfgang ,
    und an die anderen mir gefällt der Wagen ob nun da 11 mm fehlen ist mir im prinzip egal .Und wenn man nachmisst so kann man feststellen das alle Teile prozentual auf die 11mm verkleinert wurden und so fällt dies im Gesamtbild nicht auf .
    Gruß
    Jürgen

  7. Hallo an alle Interessierten,

    @ stefan: die Dampfheizleitung war meines Wissens auch beim Vorbild nur dann montiert, wenn sie tatsächlich gebraucht wurde. Auf den Bahnsteigen gab es Ständer für die Dampfheizleitung.
    @ Wolfgang Röther: die 11 mm wurden gleichmäßig verteilt, sonst hätte das charakteristische Aussehen des Wagens gelitten.
    @volker: Eigentlich aus meiner Sicht sehr einfach, warum wir den G10 nicht für das Fahrgestell benutzt haben. Das oberste Ziel ist eine stimmige Technik.
    Ganz anderes Beispiel: Wenn die Radlenker bei einer Weiche nur so auf den Schwellen sitzen und nicht technisch korrekt befestigt sind, ist das technischer Nonsens.
    Die Bahn ist nun mal eine technische Einrichtung.
    Wenn die Wandstreben nicht auf den Kastenstützen sitzen, kann das von der Statik her nicht funktionieren. Außerdem ist die Bremsanlage bei G10 und Geh20 verschieden.
    So wie der Wagen jetzt aussieht, hätte er auch von der Reichsbahn gebaut werden können. Ohne technische Mängel. Übrigens hat bisher noch niemand Originalunterlagen auftreiben können. Wir hatten nur Fotos als Orientierung.

    Grüße

    Bernd Lenz

  8. Juergen

    Hallo Herr Lenz,

    danke für die Erläuterungen, interessant. Ich habe den Wagen schon in meinem Bestand und finde ihn toll, auch weil er optisch Farbe (weiß = keine Farbe) in den Zug bringt und schön zu meinem anderen Lenz-Kühlwagen paßt. Mit der Verkürzung kann ich als Betriebsbahner leben, wäre mir vermutlich ohne Ihren (übrigens lobenswerten) Hinweis gar nicht aufgefallen.

  9. FrankG

    Hallo Stefan,
    was das Schild “Münchner Bahnhöfen” angeht, mache ich mir keinen Kopf. Hier wird, so glaube ich, unser Freund J. Moog schnell Abhilfe schaffen. PS: Siehe Zuglaufschilder.
    Viele Grüsse
    Frank

  10. Kallisto

    Hallo an alle,

    schöner Bericht. Weiss jemand, bis wann die Wagen als Milchwagen im Einsatz standen? Bzw. ab wann liefen die Wagen als braune G19.

    Danke vorab – Gruß
    Kallisto

    • Stefan P.

      Hallo Kallisto,

      meines Wissens haben die Wagen keine UIC-Nummern mehr erhalten, also kein Einsatz nach 1968. Das Modell hat eine Revisionsanschrift mit der Jahresangabe 1958, so dass ein Einsatz bis 1964 problemlos möglich ist.

      Gruß
      Stefan P.

  11. Frank

    Hallo,

    11mm zu kurz und hohe Spurkränze – für mich ein Schritt in die falsche Richtung und nicht akzeptabel. Ich werde das Modell nicht kaufen.

    Viele Grüße
    Frank

  12. Joachim Wassenberg

    Hallo an Herrn Lenz und alle anderen Mitleser!

    Der Geh 20 ist 11 mm zu kurz, weil er so schön auf ein G 20 – Fahrgestell passt!
    Sowas hatten wir schon bei Pola maxi usw.
    Und jetzt fängt LENZ auch damit an!
    “Wehret den Anfängen!” – Ich kaufe den Wagen nicht!

    Gruss!
    Joachim Wassenberg

  13. Johannes Otterbach Spur 0 Team

    Hallo,

    ich habe den Wagen gekauft, da er sehr kompakt ist und durch die 2×2 Türen besonders interessant und detailreich.
    Hinzu kommt, daß man Ihn betrieblich gut einsetzen kann, hinter Reisezügen und ich ein Kühlhaus bzw. Meyerei auf meinen Modulen habe.

    Ich find Ihn sehr gelungen.

    Gruß

    Johannes

    P.S. die Traggetelle würden mich auch interessieren.