Wie „High Tech“ in die Bayerische Staatsbahn einzog

„So ziemlich das schönste Weihnachtsfest, an das ich mich erinnern kann, war das des Jahres 1911. Nicht, dass bemerkenswerte äußere Ereignisse diesen Tag von allen anderen ausgezeichnet hätten. Nein, ein lang gehegter Wunsch ging damals in Erfüllung. Unter dem brennenden Lichterbaum lag am Heilig Abend ein – Fotoapparat! Vielmehr eine Apparatur, denn es war eine Plattenkamera. An Rollfilmkameras war damals noch nicht zu denken. Die neue Kamera besaß immerhin ein Objektiv mit der damals beachtlichen Lichtstärke 8,0. Auch der Verschluss reichte von ½ bis zu 1/30 Sekunde. Es lies sich also schon allerlei mit dem Apparat anfangen.

Der Lokalbahnzug am Berg

Der Lokalbahnzug am Berg

Was beginnt nun ein Eisenbahnnarr mit einem frisch geschenkten Fotoapparat? Die Antwort bedarf keinerlei Überlegungen: Eisenbahn fotografieren. Leider musste ich mich bis zum Sommer gedulden, das dunkle Winterwetter und die verregneten Tage in Frühjahr ließen keine ordentlichen Bilder zu. Aber beim ersten schönen Sommertag zog ich los in mein bekanntes Eisenbahnrevier, bewaffnet mit Kamera, Stativ, fünf Platten und Gelbscheibe.

Soweit es Familienaufnahmen betraf, durfte die Geschichte einfach gewesen sein. Mich musste der Teufel reiten, Lokomotiven zu fotografieren. Über die ersten Aufnahmen will ich mit Schweigen hinweggehen. Jeder muss Lehrgeld bezahlen. Warum sollte ich nicht? Eine Lokomotive ist halt keine Tante Emma, die geduldig still hält, bis sich der Fotograf ausgetobt hat. Da ich kein Fahrgeld hatte, um die Ferne und die tollen Schnellzüge zu erkunden, blieb mir nur unsere Umgegend zum Fotografieren.

Es war ein schöner Sommertag, der Nachmittag war schon fortgeschritten und ich nahm meine Kamera und zog an die Strecke. Ca. fünfzig Minuten zu Fuß und es war geschafft. Ich packte alles aus und richtete die Kamera aus. Den Fahrplan kannte ich mittlerweile auswendig. Wahrscheinlich würde wieder eine dieser kleinen bayerischen Glaskastl vorbeikommen mit einem Lokalbahnzug. Die Lok musste immer mächtig schaffen und ich konnte sie schon am Geräusch erkennen. Die hatte ich schon oft auf die Platte gebannt, meistens etwas unscharf an den Rändern. Die Geschwindigkeit und das Objektiv waren wohl schuld. Geduldig harrte ich aus. Es wurde schon etwas dunkler, ich war wohl ein wenig spät aufgebrochen. Nun, große Taten erfordern auch Opfer. Tapferes Aushalten wird belohnt.

Die Dame auf dem Perron

Die Dame auf dem Perron

Ein Zug von Westen fauchte heran, mächtig qualmend und mit einem mir unbekannten Geräusch. Ich sprang auf und stand gleich hinter der Kamera. Jetzt oder nie. Abwarten. Donnerwetter, eine bay. D VI mit einem Personenwagen; ein CPwL. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit dieser Lok. Die musste aushilfsweise hier sein. Ich hatte gerade so richtig Maß genommen da gab es ein lautes Quietschen. Die Bremsen griffen und der ganze Zug kam direkt vor meiner Kamera zum Stehen. Ich drückte ab. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Der Lokführer schaute heraus und versuchte sich mit dem Zugführer zu verständigen. Der war aber schon an die Bremskurbel geeilt und hatte die Bremsen festgedreht. Nun kam Leben in den Zug. Vorne, direkt hinter der Lok stieg eine junge Frau mit einem Korb auf den Perron. Man, ich hatte ja total vergessen die Platte zu wechseln. Da stand der Zug direkt vor mir und warf alle mein Pläne über den Haufen. Die neue Platte rein. Sofort fokussierte ich die aufgehende Tür und machte ein Foto. Der Zugführer hatte schon vor der Fahrt das Petroleumlicht in den Wagenlaternen entzündet. Es schien wirklich spärlich auf die Bühne, zauberte dafür aber eine tolle Stimmung. Nun hatte ich wieder alle meine Sinne beisammen. Ich nahm mein Stativ mit Kamera und rannte an das Zugende.

Schaffner und Pastor auf dem Zug

Schaffner und Pastor auf dem Zug

Da standen der Zugführer und der örtliche Pfarrer und diskutierten. Ich konnte nicht verstehen was da vor sich ging, ich musste meine Kamera in Stellung bringen. Beide wünschten mir noch ein tolles Foto und hielten tatsächlich still. Sie wissen schon, die langen Belichtungszeiten. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Mist, ich hatte meine Platten liegen gelassen an meinem vorherigen Kamerastandort. Nichts wie zurück, denn ich wollte doch noch den ganzen Zug fotografieren. Ich rannte richtig los und holte die zwei noch verbleibenden Platten. Im dichten Gras musste ich ein wenig suchen. Nun aber zurück. Der Zug stand noch und ich konnte noch einen Schuss machen. Nun hastig nach Hause. Ich packte alle meine Sachen und verabschiedete mich. Der Höhenflug der Stimmung war abgeklungen und die körperliche Hochform hatte gelitten. Sehnsüchtig schaute ich dem Zug nach, der immer noch da stand.

Schaffner und Pastor auf der Bühne

Schaffner und Pastor auf der Bühne

Am Bahnhof  angekommen traute ich meinen Augen nicht. Der Glaskastenlokführer diskutiert gerade mit dem Stationsvorsteher. Eine mächtige Gestalt, aber ein gutmütiger Mann. Die beiden kannten mich und mein Hobby und ich hatte keine Probleme sie noch auf die Platte zu bannen. Geradezu einladend waren sie und es schien als hätten sie Zeit, denn es ging wohl nichts mehr auf der Strecke. Nun ja, den Glaskasten hatte ich schon öfters fotografiert, aber so mit der Beleuchtung hatte er einfach seinen Reiz.

Nun aber nach Hause, Muttern hatte bestimmt schon Abendbrot gemacht und ich konnte doch nicht zu spät kommen. Außerdem hatte ich alle fünf Kassetten belichtet! Wahnsinn.“

Glaskastl mit Lokführer und Stationvorsteher am Zug

Glaskastl mit Lokführer und Stationvorsteher am Zug

„Macht doch mal Licht an, ich brauche eine Schere. Ihr seht doch gar nichts!“ rief es in die Küche. Manfred und ich schauten uns an. Unsere ganze Stimmung war mit einem Mal dahin. Doris suchte ihre profane Schere. Meine Güte. Wir waren gerade so richtig in unsere kleine bayerische Lokalbahnwelt eingetaucht, waren unterwegs gewesen in Gedanken längs der Strecke und hatten Fotos von den Lokomotiven und den selbstgebauten Wagen gemacht. Wie sollen wir unsere digitale Beleuchtung fotografieren, die in den Loks und Wagen eingebaut ist. Kommt das Licht wirklich als Petroleumlicht auch auf den Fotos herüber. Verdammt, warum will diese kleine Figur sich nicht in dieser Position fotografieren lassen? Klebknete und zack, sie saß dort wo sie sein sollte. Das waren unsere Probleme, nicht diese Schere, die sowieso da lag, wo sie immer liegt.

Manfred wählte noch die „92“ auf der digitalen Zentrale, betätigte die Funktionstasten und das Licht im Personenwagen erlosch. Er wiederholte die Prozedur mit einer anderen Nummer  und die Führerhausbeleuchtung und die Lampen der bay. D VI erloschen. Aus der Spaß!

Eine solche Beleuchtung zu realisieren ist heute ganz einfach. Da wir unsere Anlagen nach DCC Norm digitalisieren haben wir den Weg über einen Funktionsdecoder gewählt, z. B. MX68 von Zimo. Ein Decoder, der keinen Motorausgang hat, sondern nur Schaltaufgaben erledigt. Er wird wie ein „Motordecoder“ über eine Nummer angesprochen. Nur gibt es ein kleines Problem. Die Funktionsausgänge der Decoder liefern zuviel Spannung. Im Wagen als auch in der Lok befinden sich kleine 1,5 Volt Birnchen. Die würden sofort den Weg ins Jenseits gehen bei direktem Anschluß an den Decoder. Auch das Dimmen der Funktionsausgänge hilft hier nicht, weil die Ausgänge nicht so stark gedimmt werden können. Zwischen Decoder und Birnchen gehört ein kleiner einfacher Baustein, der sich aus ein paar Teilen schnell zusammenlöten lässt. Diesen Baustein hat ein Eisenbahnfreund vorgeschlagen und er funktioniert bei uns ausgezeichnet.

Spannungsregler LM317 220

Die Teile werden verlötet, mit Schrumpfschlauch versehen und an den Decoder angeschlossen. Vor dem Anschließen des Birnchens ist unbedingt die Spannung auf unter 1,5 Volt mittels Trimmpotentiometer einzuregeln. Wir haben gute Erfahrung mit 1,25 Volt Spannung gemacht, um die hier erforderliche Petroleumbeleuchtung zu simulieren. Aber die Helligkeit ist ja bekanntlich Geschmackssache.

Der Funktionsdecoder liegt im Zugausrüstungskasten des Personenwagens unterhalb des Fahrgestells. Die drei Lämpchen sitzen direkt von innen hinter den beiden seitlichen Stirnwänden und beleuchten Innenraum als auch Perron und eins beleuchtet den Gepäckraum. Dafür sind zwei Beleuchtungsbausteine eingebaut. Über den Funktionsdecoder kann man nun die rechte oder linke Seite des Wagens mit Gepäckraum beleuchten. Die Erwärmung des Beleuchtungsbausteines kann man getrost vernachlässigen, solange keine weiteren Lasten an die Beleuchtungsbausteine gehängt werden und der Baustein die Wärme gut ableiten kann. Dazu wird der LM317 mit der Glimmerscheibe und der Isolierbuchse an einem Metallteil isoliert verschraubt..

Was kostet nun der Spaß? Die Teile des Beleuchtungsbausteines ca. 2,50 Euro, der Funktionsdecoder ca. 20,- Euro und die Birnchen ca. 1,50 Euro.

Der Spiel- und Bastelspaß ist groß, denn konstant beleuchtete Züge am Bahnsteig oder auf der Strecke wirken gut. Die Beleuchtung lässt sich Dank moderner Digitaltechnik wirklich einfach realisieren.

Nun ist somit in die ehrwürdige kgl. bay. Staatsbahn die moderne Digitaltechnik eingezogen, oder wie ein Modellbaukollege sagte: eben „High Tech“.

Fotos und Verfasser des Artikels: Manfred Diesberger u. Jochen Schnitker

Quelle: Die historische Fotografengeschichte in Anlehnung an „Bekenntnisse eines Eisenbahnarren“, K. E. Maedel, Franksche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1964, S. 111 ff.

5 Reaktionen zu “Wie „High Tech“ in die Bayerische Staatsbahn einzog”

  1. Walter Steil

    Hallo Jochen und Manfred,

    danke für die hübsche, kleine Weihnachtsüberraschung, die Ihr uns da präsentiert habt.

    Aber musstet Du, Jochen, heute morgen denn keinen Schnee räumen? Ich bin um 9:02 Uhr gerade von der “Frühschicht” zum
    Frühstück hereingekommen.

    Ich wünsche Dir und allen Spur-Nullern noch ruhige Festtage und im neuen Jahr Gesundheit für viele schöne Stunden mit unserem Hobby.

    Grüße aus dem verschneiten Nordhessen

    Walter

  2. Stephan Dreßel

    Hallo Jochen und Manfred!
    Bin beim Lesen der netten Geschichte auch in´s Träumen geraten.Fand mich wieder am Eisfelder Bahndamm 1930.Bei mir suchte aber keiner eine Schere – ich bin alleine wieder aufgewacht,als ich merkte: meine Wagen brauchen dringensd so eine tolle Beleuchtung!
    Danke für den Schaltplan und danke für die kleine Tagträumerei…
    Allen noch ein paar schöne Weihnachtsstunden!
    Viele Grüße,Stephan Dreßel

  3. Oliver Leisner

    Hallo Jochen & Manfred,
    mit grosser Freude habe ich Eure Länderbahngeschichte gelesen.
    Es hat mich wieder daran erinnert, daß ich dringend an meinem bayer. Brauereimodul weiter bauen muß, damit ich auch mal eine Geschichte schreiben kann.

    Schöne Weihnachten und viel Erfolg beim Weiterbauen der Module.

    Viele Grüße Oliver

  4. Hallo,

    Jochen & Manfred

    auch ich habe mit Anmut und werdender Begeisterung Euren netten Bayerschmaus gelesen. Bin nun in der Nacht darauf gestoßen und muss feststellen, wie auch Oliver Leisner, meine Bauvorhaben mal anzugehen.
    Die schönen Bayern-Wagen Bausätze schlummern immer…..und leider noch in ihrem Dornröschen Schlaf.

    Ich sollte sie mal vorholen, und, und…….

    Grüße an alle, Frank Minten