Dampflokzeitalter – Milchkannenzeitalter

Bäuerin mit Milchkannen

Bäuerin mit Milchkannen

Warten auf die Abholung der Milchkannen

Warten auf die Abholung der Milchkannen

Milchkannen: Auf dem Lande waren sie allgegenwärtig – in der Stadt standen sie beim Milchmann, oder hingen am vom Pferd gezogenen Milchwagen der Meierei. Denn Milch wurde noch ins Haus geliefert. Der Milchhändler, die Meierei/Molkerei klapperte damit, am Straßenrand und am Gleis standen Milchkannenrampen.

Mit der kleinen 1-Liter-Version schickte mich meine Mutter zum Milchholen, wenn ich aus der Schule kam. Zu meiner Zeit als Milchholer gab es noch Milchmarken auf der Lebensmittelkarte. Die musste der Milchmann davon abschnippeln. Ich ging zum Milchgeschäft Krohn. So hieß unser örtlicher Milchhändler. Es gab Voll- und Magermilch, Buttermilch und Sahne. Butter und Quark gab es bei ihm auch. Die Milch schöpfte er mit einen ¼- oder ½-Liter Maß direkt aus der Milchkanne. Die Butter holte er mit zwei hölzernen Spateln aus dem Butterfass, mit denen er sie dann zu einem Block zurecht klopfte.

Eine große Geschicklichkeit verlangte das Milchkanne-über-den-Kopf-schwenken. Das praktizierten die Milch holenden Kinder auf dem Heimweg. Mit der heute üblichen Milchverpackung macht man das nicht mehr. Keine Chance. Auch der Spruch: „… zu dumm zum Milchholen“ war gebräuchlich.

Milchkannen zum Trocknen aufgestellt

Milchkannen zum Trocknen aufgestellt

Die normalen Milchkannen hatten ein Fassungsvermögen von 20-25 Liter und sie hatten einen Henkel. Sie waren schwer – aber noch von einer kräftigen Bäuerin zu tragen. Auf den Höfen sah man Gestelle, auf denen die gewaschenen Milchkannen kopfüber trockneten. Ja, sie wurden natürlich ausgewaschen. Auch eine harte, zeitraubende Arbeit. Der Boden der Kanne wurde meistens mit Sand gescheuert. Nun, dafür entfiel das Reinigen der Melkmaschine, denn es wurde noch mit der Hand gemolken. Mi ma muh, wir melken eine Kuh Stripp, strapp, strull, is de Emmer noch nich vull?

Dann war irgendwann Schluss mit Milchkannen. Es gab größere Tanks, dann Tankwagen, die die Milch vom Hof abholten. Mit der Bahn fuhr die Milch schon lange nicht mehr. Nix mehr mit Bummelzug… hält an jeder Milchkanne.

Viele Kannen endeten, wenn ihnen das Schicksal hold war, meistens mit bunter Bauernmalerei verziert, als Schirmständer auf Dielen und  Wohnungsfluren. Auch heute noch kann man z.B. bei Ebay diese Kannen finden.

Milchkannen waren international – dort wo Kühe grasten, gab es Milchkannen. Aus verzinktem Stahl, aus Aluminium. Andere Formen, andere Größen. In vielen Ländern gab es 50-Liter-Kannen, die von 2 Personen getragen werden mussten. Deshalb auch die zwei seitlich angebrachten Tragegriffe.

Paulo hat die 20-Liter-Kanne für die Nullbahnerinnen und Nullbahner als Ladegut wieder aufleben lassen. Mit losem Deckel und Henkel. Aus Zinnguss – also ohne Bemalung. Dazu  gibt es auch eine kleine Milchkannenrampe als Landschaftsdetail zum Aufstellen am Gleis oder Straßenrand.

Milchkannen und Rampe von Paulo

Milchkannen und Rampe von Paulo

Von Busch gibt es große Milchkannen, passende Karren, und ein Milchhaus.

Von Schuco gibt es einen Fendt Geräteträger, voll mit Milchkannen beladen. Gefahren von einer Bäuerin (mit Kopftuch – aber offensichtlich keine Muslimin) Auch einen sogenannten Gummiwagen (so nennen die Bauern die Ackerwagen, die gummibereift sind) voll beladen mit Milchkannen.

Und alles nur wegen des Milch-Güterwagens von Lenz. Tja, die Milch machts!

8 Reaktionen zu “Dampflokzeitalter – Milchkannenzeitalter”

  1. Norbert Wulf

    Schöner Artikel, sehr lehrreich, sehr nostalgisch !

    Danke dafür !

    Norbert

  2. Dieter Ackermann

    Hallo, Herr Schimmeck, danke für Ihren Beitrag – eine Erinnerung an eine Zeit, die ich auch noch bewusst erlebt habe, einschliesslich des Schwenkens der Milchkanne (ohne Deckel!); man durfte dabei nur nicht übertreiben, sonst war die Milch sauer, wenn man zu Haus ankam …

    So gesehen, sind die Milchkannen mit ihrer filigranen Ausführung ein absolutes “Muss” für die Spur 0 im ländlichen Raum!
    Allerdings habe ich inzwischen die Deckel mit einem Tropfen UHU fixiert, damit ich sie nicht dauern suchen muss, wenn die Enkel damit gespielt haben …

  3. Thomas Otto

    Sehr schön war es auch, wenn wir von der Meierei mit dem Leiterwagen Buttermilch (50-l-Kanne) für die Internatsküche holen mussten (durften), denn es kam nie die gesamte Bestellmenge an – der Heimweg war sehr “beschwerlich”, sodass wir öfter “nachtanken” mussten…
    Vielen Dank für die schöne Reise in die Vergangenheit!
    Mit verklärten Augen grüßt
    Thomas O. aus F. am M.

  4. Juergen

    Toller Artikel, gefällt mir sehr gut. Gerne mehr von solchen Hintergrundinformationen.

  5. FrankG

    Danke Herr Schimmeck für diesen informativen tollen Artikel. Danke auch an Stefan für die Veröffentlichung derartiger Artikel. So wünsche ich mir eine Internetseite und ein Magazin.
    Viele Gruesse
    Frank

  6. Stefan Fiene / merzbahn

    …ich bin zu jung für die Erinnerungen an die “Milchzeit”, mein Vater ist jedenfalls beim Milchholen mit dem Fahrrad in einen Graben voll mit Brennessel gefallen, er wollte ein Gatter öffnen und war zu bequem zum Absteigen, es war übrigens Hochsommer…
    In einem Mittelpuffer Magazin gab es einen schönen Artikel zum Selbstbau eines Milchkühlhauses nach dem Vorbild einer Schmalspurbahn. Ich habe die Ausgabe aber nicht mehr. Könnte jemand den Artikel im Angesicht des Milchfiebers im Forum bereitstellen? … natürlich nach Rücksprache mit den Urhebern…
    Danke für den tollen Artikel sagt ein begeisterter Milchtrinker.

  7. Hallo,

    vielleicht hat ein Nullfreund ein Interesse an einem Milchkannenwagen von Micro.

    Ich könnte einen entbären!

    Einfach mal anfragen / frank-minten@t-online.de

    Grüße Frank

    PS. es fehlt noch eine Kleinigkeit zur V60 für Lenz:-)